Wechselt ein Arbeitnehmer von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung und ist dabei noch Resturlaub aus der Vollzeittätigkeit offen, stellt sich die Frage, wie der Resturlaub umzurechnen ist: Werden die Resturlaubstage entsprechend der Teilzeittätigkeit quotiert oder bleibt der volle Urlaubsanspruch bestehen?
Eine gesetzliche Regelung für diesen Fall gibt es nicht. Daher legte das Arbeitsgericht Nienburg im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vor, ob eine Quotierung des Resturlaubs mit dem Unionsrecht zu vereinbaren sei.
Zu entscheiden war der Fall einer Arbeitnehmerin, die bei ihrem Arbeitgeber zunächst in Vollzeit in einer Fünftagewoche beschäftigt war. Wegen Mutterschutz und Elternzeit konnte sie in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 29 Urlaubstage nicht nehmen. Ab Mitte Dezember 2011 vereinbarte sie mit ihrem Arbeitgeber eine Halbierung der Arbeitszeit. Sie ist seitdem nur noch an drei Tagen pro Woche tätig. Vor Gericht machte sie geltend, dass aus den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 29 Arbeitstage Urlaub in das Jahr 2012 zu übertragen seien. Das sah ihr Arbeitgeber jedoch anders: Die 29 Arbeitstage Urlaub aus der Vollzeit müssten durch die damaligen fünf Arbeitstage geteilt (also in Wochen umgerechnet) und mit der neuen Zahl der Arbeitstage, das heißt mit drei, multipliziert werden. Damit stünden ihr nur 17 Arbeitstage Urlaub zu.
Der EuGH hat nun entschieden, dass die Quotelung des Urlaubs gegen Europarecht verstößt. Ein bereits erworbener Urlaubsanspruch dürfe dem Arbeitnehmer nicht dadurch verloren gehen, dass er von einer Vollzeit- in eine Teilzeitbeschäftigung wechsele. Der Arbeitnehmerin stünden mithin noch 29 Urlaubstage zu. (EuGH vom 13. Juni 2013 – C-415/12)
Tipp für die Praxis:
Je nachdem wie drastisch ein Mitarbeiter seine Arbeitszeit reduziert, kann diese Rechtsprechung in der Praxis massive Auswirkungen haben:
Bei einem Wechsel von einer Fünftagewoche auf eine Zweitagewoche bedeutet ein 29-tägiger Resturlaubsanspruch, dass der Mitarbeiter fast 15 Wochen im Unternehmen fehlt. Rechnet man noch den Jahresurlaub des laufenden Jahres hinzu, ist man bei einer Fehlquote von über 20 Wochen (ausgehend von einem Jahresurlaubsanspruch von sechs Wochen).
Diese Rechtsprechung bezieht sich allerdings nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen. Für tariflichen oder arbeitsvertraglich geregelten Mehrurlaub kann etwas anderes vereinbart werden. Gibt es keine besondere Regelung, gelten die Grundsätze für den gesetzlichen Mindesturlaub auch für den zusätzlich vereinbarten Mehrurlaub.
Quelle: http://www.cms-hs.net