Judex non calculat (der Richter rechnet nicht) – außer bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen

Judex non calculat – außer bei sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen

Der Grundsatz, dass der Richter nicht rechnet, gilt für das Arbeitsrecht nur eingeschränkt. Dies zeigt eine Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern aus dem Frühjahr, in der die Richter einen ganz genauen Blick auf die Berechnung einer sachgrundlosen Befristung geworfen haben – mit gravierenden Folgen für den Arbeitgeber.

Ein Unternehmen hatte für die Zeit vom 30. Juli 2010 bis zum 29. Juli 2011 eine Mitarbeiterin befristet für die Kreditorenbuchhaltung eingestellt. Später wurde die Befristung durch Änderungsvertrag um den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juli 2012 verlängert. Als Befristungsgrund war im Vertrag § 14 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) angegeben. Diese gesetzliche Regelung erlaubt die Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Gesamtdauer von zwei Jahren. Im Mai 2012 machte die Mitarbeiterin geltend, ihr Arbeitsverhältnis sei nun entfristet, weil die Zeitspanne 30. Juli 2010 bis 30. Juli 2012 insgesamt zwei Jahre und einen Tag umfasse und damit die gesetzlich vorgegebene Zweijahresfrist um einen Tag überschreite. Nach § 16 TzBfG gelte das Arbeitsverhältnis in solchen Fällen als auf unbestimmte Zeit geschlossen. Das Unternehmen focht daraufhin den Änderungsvertrag an und erklärte hilfsweise am 21. Mai 2012 die Kündigung zum 30. Juli 2012 – beziehungsweise zum nächstmöglichen Termin – mit der Begründung, dass die Arbeitnehmerin die an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllt habe.

Die Richter des Landesarbeitsgerichts akzeptierten weder die Anfechtung noch die Kündigung. Vielmehr entschieden sie, dass tatsächlich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden sei. Eine Anfechtung wegen eines Erklärungs- oder Inhaltsirrtums komme nicht in Betracht, weil das Unternehmen nicht dargelegt habe, dass es sich bei der Angabe des Datums „30. Juli 2013” über den objektiven Sinn der verwendeten Erklärungszeichen geirrt habe. Da die Datumsangabe handschriftlich in den Vertrag eingetragen worden sei, scheide auch ein „Vertippen” aus. Daher spreche alles für einen schlichten Rechenfehler und damit für einen unbeachtlichen Kalkulationsirrtum.

Die hilfsweise ausgesprochene Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt gewesen. Eine verhaltensbedingte Kündigung scheide mangels Abmahnung aus, für eine personenbedingte Kündigung sei die Stellungnahme des Arbeitgebers zu allgemein gewesen.

(LAG Mecklenburg-Vorpommern vom 17. April 2013 – 2 Sa 237/12)

Tipp für die Praxis:

Bei der Gestaltung befristeter Arbeitsverhältnisse muss größte Sorgfalt an den Tag gelegt werden. Das gilt bei sachgrundlosen Befristungen zum einen für die Einhaltung der Zweijahresfrist, aber auch für die höchstzulässige Zahl von drei Verlängerungen innerhalb dieses Zeitraums. Soweit mit sachlichem Grund befristet wird, ist die umfangreiche Rechtsprechung zu § 14 Abs. 1 TzBfG zu berücksichtigen.

Quelle: http://www.cms-hs.net