Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) schreibt vor, dass Zeitarbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher nicht zu schlechteren Konditionen arbeiten dürfen als vergleichbare Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb. Vor dem Hintergrund dieses sogenannten „Equal-Pay-Anspruchs” kann es sehr bedeutsam sein, ob Mitarbeiter eines Unternehmens, die in einem Drittbetrieb eingesetzt werden, dort aufgrund eines Werkvertrags oder als Zeitarbeitnehmer tätig werden.
Das LAG Berlin-Brandenburg entschied unlängst über folgenden Fall: Eine Verpackerin war vier Jahre lang für das Unternehmen A tätig. Sie erhielt dort zunächst einen Stundenlohn von EUR 7, der dann auf EUR 6,30 abgesenkt wurde. Ihre Arbeit verrichtete die Arbeiterin allerdings nicht im Unternehmen A, sondern durchgängig in den Räumen des Unternehmens B. Denn A und B hatten einen als „Werkvertrag” bezeichneten Vertrag abgeschlossen, wonach A fachgerechte Arbeiten der Fleisch- und Wurstproduktion mit den dazu notwendigen Verpackungs- und Nebentätigkeiten bei B durchführen sollte. Die zu erbringenden Leistungen richteten sich nach dem Bedarf des Auftraggebers B und waren in einem speziellen Leistungsverzeichnis aufgeführt. Die Vergütung des Auftragnehmers A richtete sich ebenfalls nach diesem Leistungsverzeichnis bezogen auf Kilogramm und Stück. Die Arbeiten waren in den Räumen des Unternehmens B durchzuführen und zwar zu den dort üblichen Öffnungs- und Arbeitszeiten. Unternehmen B beschäftigte in diesem Bereich aber auch eigene Arbeitnehmer, die zu einem Stundenlohn von zunächst EUR 9,05 und später von EUR 9,21 nebst Zuschlägen und Sonderzahlungen tätig wurden.
Vor Gericht machte die Verpackerin geltend, es habe in Wahrheit kein Werkvertrag, sondern eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen. Ihr Vorabeiter, der ebenfalls für das Unternehmen A arbeitete, habe sie täglich nach den Anweisungen der Firma B zur Arbeit eingeteilt. Sie habe immer wieder mit den Beschäftigten der Firma B zusammen gearbeitet und sei dabei allein von den Vorarbeitern der Firma B kontrolliert worden. Durchschnittlich einmal in der Woche habe sie direkte Arbeitsanweisungen durch den Betriebsleiter der Firma B erhalten. Ihr Arbeitgeber habe sie an die Firma B „verliehen”, sodass das AÜG anwendbar sei. Ihr stehe mithin die gleiche Vergütung zu, wie den Verpackern der Firma B.
Das LAG Berlin-Brandenburg gab der Mitarbeiterin recht. Zwischen A und B sei weder ein Werk- noch ein Dienstvertrag vereinbart worden. Vielmehr habe A der B Mitarbeiter überlassen, sodass das AÜG anwendbar sei. Es komme zunächst weder auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung noch auf die von ihnen gewünschte Rechtsfolge an. Maßgeblich für die Abgrenzung Dienst-/Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung sei allein das Weisungsrecht und die Eingliederung in den Betrieb. Richten sich die vom Auftragnehmer (A) zu erbringenden Leistungen – wie im zu entscheidenden Fall – ganz nach dem Bedarf und den Anweisungen des Auftraggebers (B), so spreche dies ganz erheblich gegen das Vorliegen eines Werk- oder Dienstvertrags und für eine Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb des Auftraggebers.
Es fehle insoweit an einem abgrenzbaren, dem Auftragnehmer (A) als eigene Leistung zurechenbaren und abnahmefähigen Werk. Das Unternehmen B habe im Übrigen die erforderlichen Tätigkeiten durch eigene Mitarbeiter, durch Zeitmitarbeiter und durch Mitarbeiter der A durchführen lassen, ohne verschiedene Leistungsbereiche abzugrenzen.
(LAG Berlin-Brandenburg vom 12. Dezember 2012 – 15 Sa 1217/12; ähnlich auch LAG Baden-Württemberg vom 1. August 2013 – 2 Sa 6/13 für IT-Fachkräfte sowie LAG Hamm vom 24. Juli 2013 – 3 Sa 1749/12 für das Facility-Management), Quelle: http://www.cms-hs.net/
Hinweis für die Praxis:
Die Voraussetzungen für eine Revision wurden vom LAG Berlin-Brandenburg mit dem Argument verneint, es handele sich hier um eine Einzelfallentscheidung, die sich an der Rechtsprechung des BAG orientiere. Beides erscheint fraglich. Zum einen handelt es sich hier um eine typische und in der Praxis häufig vorkommende Outsourcing-Konstellation. Zum anderen widerspricht die Entscheidung der Linie des BAG, welches im Jahre 1991 in einem ähnlich gelagerten Fall eine Arbeitnehmerüberlassung verneint hatte. (BAG vom 5. März 1991 – 1 ABR 39/90) |