TECKS.de - Urteilsdatenbank

TECKS.de - Urteilsdatenbank | Alles rund ums Arbeitsrecht

BGH zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften – Geschenkt und doch nicht geschenkt

08/05/2014 by TECKS

Nach einer Trennung tragen Paare ihren emotionalen Streit häufig auf vermögensrechtlicher Ebene aus. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Partner verheiratet waren oder ohne Trauschein zusammenlebten. Auch rechtlich nicht, wie der BGH am Dienstag bestätigte. Das war nicht immer so. Herbert Grziwotz wirft einen Blick zurück. Aber auch heute werden nicht alle Zuwendungen ausgeglichen.

Früher – als noch der Gesellschaftssenat des Bundesgerichtshofs (BGH) für nichteheliche Lebensgemeinschaften zuständig war – galt: “Geschenkt ist geschenkt”! Wer nicht heirate, also in bewusster Rechtspflichtlosigkeit zusammenlebt, könne bei einer Trennung nicht erwarten, dass ihm die Rechtsordnung Ausgleichsansprüche gewähre.

Die “Vorstellung, für Leistungen im gemeinsamen Interesse könnten ohne besondere Vereinbarung ‘Gegenleistungen’, ‘Wertersatz’, ‘Ausgleich’, ‘Entschädigung’ verlangt werden”, sei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft grundsätzlich fremd (Urt. v. 24.03.1980, Az. II ZR 191/79). An diesem Grundsatz hielt der BGH fest, egal ob es um die Finanzierung eines Autokaufs, des gemeinsamen Hausbaus oder den Bau von Mehrfamilienhäusern als Renditeobjekte ging (Urt. v. 24.06.1985, Az. II ZR 255/84). Die nichteheliche Lebensgemeinschaft war juristisches Niemandsland.

Familiensenat ändert Rechtsprechung

Aber dann änderten sich die Zuständigkeiten. Seit 2008 bearbeitet der Familiensenat diese Fälle und vertritt dabei eine gänzlich andere Meinung: Wie in Gütertrennung lebende Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner sollen auch nichteheliche Lebenspartner Ausgleichsansprüche nach der Trennung haben. Und zwar bei wesentlichen Beiträgen eines Partners, mit deren Hilfe während des Bestehens der Lebensgemeinschaft ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wird (Urt. v. 09.07.2008, Az. XII ZR 179/05).

Diese Änderung der Rechtsprechung kam nun einem Mann zugute, der Anfang Mai 2007 wenige Tage vor Beginn einer gemeinsamen mehrmonatigen Europareise die Hälfte seines Sparbriefs über 50.000 auf seine Lebensgefährtin ausstellen ließ. In seinem Testament verpflichtete er seine Erben außerdem dazu, sofort nach seinem Tod an seine Partnerin aus seinen Bar- und Sparvermögen 15.000 Euro auszuzahlen. Ihr machte er dafür zur Auflage, ihn  orts- und standesüblich zu beerdigen, das Grab anzulegen und zu pflegen.

Die Beziehung hielt allerdings nicht mehr lang. Anfang Oktober 2008 trennte sich das Paar. Der Mann wollte den Sparbrief zurück und zog dafür schließlich vor Gericht, wo er nun in letzter Instanz Recht bekam. Die Ausstellung des Sparbriefs auf den Namen der Frau sei eine unbenannte Zuwendung und keine Schenkung, so die Karlsruher Richter. Es sei dem Mann nicht um Freigiebigkeit gegangen, sondern um die Verwirklichung, Ausgestaltung und Erhaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Dafür spreche, dass die Zuwendung den Zweck hatte, die Frau im Fall des Todes des Klägers finanziell abzusichern.

Denn darin komme zum Ausdruck, dass die Solidarität der Parteien auch über den Tod des Klägers hinauswirken und damit zugleich die Verbundenheit der Lebensgefährten zu Lebzeiten bekräftigt werden sollte. Mit der Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei die Grundlage dieser Zuwendung weggefallen, § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), und der Mann habe einen Anspruch auf Rückzahlung zu (Urt. v. 06.05.2014, Az. X ZR 135/11).

Auch Ausgleich zwischen Verwandten und Freunden möglich

Diese Rechtsprechung, die der BGH nun bestätigte, bezieht sich nicht nur auf nichteheliche Paare, sondern auch auf andere auf Dauer angelegte Partnerschaften. Etwa verwitwete oder bis ins Alter ledige Geschwister, die sich gegenseitig unterstützen und zusammenleben, um nicht in ein Altenheim ziehen zu müssen.

Gleiches gilt für verwitwete Freundinnen oder ehemalige Schulkameradinnen, die wegen ihrer kleinen Rente in einer Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft zusammenleben. Aber auch lesbische und schwule Paare, die mit gemeinsamen Kindern zusammenleben, dürften unter die neue Rechtsprechung fallen.

Die Richter stützen den Ausgleichsanspruch auf einen zumindest schlüssig zustande gekommenen Vertrag für eine BGB-Innengesellschaft, den Wegfall der Geschäftsgrundlage eines familienrechtlichen (Zuwendungs-)Vertrages und Bereicherungsansprüche wegen Zweckverfehlung.

Kein Reuerecht für Enttäuschungen

Der Kölner Gesellschaftsrechtler Manfred Lieb hat 1970 als erster festgestellt, dass Zuwendungen zwischen mit oder ohne Trauschein zusammenlebenden Partnern in der Regel nicht völlig freigiebig und zur freien Verfügung des Empfängers erfolgen. Es handelt sich meist nicht um reine Schenkungen, sondern um finanzielle Beiträge zur Verwirklichung der partnerschaftlichen Gemeinschaft.Zum Zeitpunkt der Zuwendung geht der schenkende Partner nämlich davon aus, dass die Partnerschaft Bestand haben wird und der zugewendete Gegenstand letztlich dem gemeinsamen Zusammenleben dient. Soll die Zuwendung die Lebens- und Versorgungsgemeinschaft erhalten und sichern, verfolgt der Zuwendende auch eigennützige Zwecke. Die Zuwendung ist in diesem Fall – anders als eine echte Schenkung – jedenfalls aus der subjektiven Perspektive nicht mehr rein unentgeltlich.Lieb hat derartige Zuwendungen als “unbenannte” bezeichnet, da der Rechtsgrund und der Zweck der Zuwendung regelmäßig unbenannt blieben. Moderne Juristen sprechen von lebensgemeinschaftbedingten oder lebensgemeinschaftbezogenen Zuwendungen. Bei einem Scheitern der Beziehung handelt es sich in der Rückschau häufig um eine unbedachte Zuwendung.Eine Rückgewähr der Zuwendung kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn dem zuwendenden Partner nicht zugemutet werden kann, dass die Vermögensverhältnisse bleiben, wie sie nun sind. Grundsätzlich muss berücksichtigt werden, dass der Zuwendende es einmal für richtig gehalten hat, die Zuwendung zu machen. Auch nach der neuen Rechtsprechung gibt es kein Reuerecht für Enttäuschungen nach einer zerbrochenen Liebe.

Keine Gesamtabrechnung

Es werden also nur Leistungen von erheblicher Bedeutung ausgeglichen. Das hängt insbesondere von der Dauer der Lebensgemeinschaft, dem Alter der Parteien, Art und Umfang der erbrachten Leistungen, der Höhe der dadurch bedingten und noch vorhandenen Vermögensmehrung sowie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab.

Nicht ausgeglichen wird, was die Partner “Tag für Tag” benötigten. Paare können nicht mit Hilfe der Gerichte Joghurtbecher und Pizzen abrechnen. Das heißt, ein Partner kann am Ende der Dumme sein, wenn er den täglichen Einkauf, die Urlaubsreisen und die Miete bezahlt hat, während der andere nur in langlebige Wirtschaftsgüter investiert hat wie die gemeinsame Eigentumswohnung. Die Rechtsprechung hat dafür insbesondere in “Normalverdiener-Fällen” noch keine saubere Abgrenzung gefunden.

Ausgleichsansprüche können nach einer klassischen Trennung entstehen, aber auch nach dem Tod desjenigen Lebensgefährten, der die Zuwendung erhalten hat.  Anders ist dies, wenn der Zuwendende stirbt. Dessen Erben können vom überlebenden Partner dann regelmäßig keine Rückforderung verlangen. Die Zuwendung erfolgte – wie im aktuellen Fall vor dem BGH – nämlich regelmäßig zu dessen Absicherung.

Wer Zuwendungen bei einer Trennung rückerstattet haben möchte, sollte das am besten schriftlich fixieren, wobei das natürlich das gewünschte “Kurzzeitziel”, nämlich ein glückliches und befriedigendes Zusammenleben, gefährdet. Welche Partnerin wird ihrem Freund um den Hals fallen, wenn er ihr mit dem Diamantring gleichzeitig ein entsprechendes Schreiben für den Fall der Trennung überreicht?

Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel und Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen zum Familienrecht.

Quelle: http://www.lto.de, http://www.bundesgerichtshof.de

Posted in: Familienrecht Tagged: Az. II ZR 191/79, Az. II ZR 255/84, Az. X ZR 135/11, Az. XII ZR 179/05, Geschenkt und doch nicht geschenkt, nichteheliche Lebensgemeinschaften

search

categories

  • anderes (5)
  • Bauen (2)
  • Erbrecht (1)
  • Europarecht (12)
  • Familienrecht (3)
  • Individualrecht (137)
  • Kollektivrecht (39)
  • Mietrecht (3)
  • NEWS (12)
  • Personalentwicklung (3)
  • Sozialrecht (7)
  • Steuerrecht (7)
  • Verkehrsrecht (1)

archives

Archiv durchsuchen

May 2025
M T W T F S S
 1234
567891011
12131415161718
19202122232425
262728293031  
« Feb    

meta

  • Log in
  • Entries feed
  • Comments feed
  • WordPress.org

Copyright © 2025 TECKS.de - Urteilsdatenbank.

Omega WordPress Theme by ThemeHall