Schickt ein Mitarbeiter eine SMS mit beleidigenden Äußerungen über seinen Chef an eine Kollegin und leitet diese die Nachricht wider Erwarten an den Vorgesetzten weiter, so ist dem Arbeitnehmer in dieser besonderen Situation keine Pflichtverletzung anzulasten. So entschied jedenfalls das LAG Rheinland-Pfalz. Die Beleidigung selbst wirke sich nicht auf das Vertrauensverhältnis bzw. den Betriebsfrieden aus. Störend sei vielmehr die Missachtung der Vertraulichkeit durch die Kollegin. Die Kündigung des Mitarbeiters, der eine solche Mitteilung verfasst habe, sei daher ausgeschlossen.
Im zu entscheidenden Fall ging es um einen Klinikarzt, der wegen eines Personalengpasses einer medizinisch-technischen Operationsassistentin mehrere SMS von seinem Handy geschickt hatte, in denen es um die Übernahme einer Rufbereitschaft ging. Als die Frau zurückschrieb, dass mit dem Chef alles besprochen sei, antwortete der Herzchirurg: „Dann ist ja gut. Heute Morgen hat er nichts davon gesagt. Er ist und bleibt ein autistisches krankes Arschl… Liebe Grüße.“ Die Operationsassistentin informierte den Chefarzt über die SMS-Kommunikation und die darin enthaltene Beleidigung. Daraufhin kündigte das Krankenhaus das Arbeitsverhältnis mit dem Argument, die grobe Beleidigung begründe eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung. Das Vertrauensverhältnis zwischen Ober- und Chefarzt sei so stark belastet, dass sogar eine gewisse Gefährdung der Patienten bei Operationen zu befürchten sei.
Das LAG entschied jedoch, dass die Kündigung unwirksam ist. Grobe Beleidigungen des Vorgesetzten seien zwar eine ernste Sache und könnten sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dennoch sei nach den besonderen Umständen des Einzelfalls die Kündigung hier zu Unrecht ergangen. Vertrauliche Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen unterfielen dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die vertrauliche Kommunikation in der Privatsphäre sei Ausdruck der Persönlichkeit und grundrechtlich gewährleistet. Ein Arbeitnehmer dürfe regelmäßig darauf vertrauen, dass seine Äußerungen nicht nach außen getragen und der Betriebsfrieden bzw. das Vertrauensverhältnis nicht zerstört werde. Halte sich der Gesprächspartner nicht daran, dürfe dies rechtlich nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen.
Im zu entscheidenden Fall habe der Herzchirurg darauf vertrauen dürfen, dass seine SMS tatsächlich vertraulich bleibt. Allein die Tatsache, dass die Operationsassistentin die Vertraulichkeit missachtet und sich in einer für den Arbeitnehmer unerwarteten Weise indiskret verhalten habe, dürfe dem Arzt nicht angelastet werden. Selbst wenn man dem Oberarzt eine Pflichtverletzung hätte vorwerfen können, hätte es im vorliegenden Fall nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an einer Abmahnung gefehlt. (LAG Rheinland-Pfalz vom 22. Januar 2015 – 3 Sa 571 / 14)
Quelle: www.cms-hs.net