… eine bemerkenswerte Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln. Es geht um einen Fall, in dem ein Autohaus, das bislang ausschließlich männliche Verkäufer beschäftigte, in einer Stellenausschreibung ausdrücklich eine Autoverkäuferin suchte. Die Stellenanzeige lautete wie folgt:
„Frauen an die Macht!! Zur weiteren Verstärkung unseres Verkaufsteams suchen wir eine selbstbewusste, engagierte und erfolgshungrige Verkäuferin.“
Es wurde sodann auch tatsächlich eine Frau eingestellt. Ein abgelehnter männlicher Bewerber klagte daraufhin auf Zahlung einer Entschädigung. Er fühlte sich als Mann diskriminiert.
Das Arbeitsgericht Köln wies seine Klage jedoch ab. Die Stellenanzeige enthalte zwar einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, da sie sich nur an Frauen richte. Da das Autohaus aber dargelegt habe, dass es das Ziel verfolge, seinen Kunden Verkaufsberater beider Geschlechter zur Verfügung zu stellen, sah das Gericht die Ungleichbehandlung ausnahmsweise als gerechtfertigt an. Nach Angaben des Unternehmens seien 25 bis 30 % der Autohauskunden Frauen. Zudem habe es schon ausdrückliche Kundennachfragen nach weiblichen Verkäufern gegeben (ArbG Köln vom 10. Februar 2016 – 9 Ca 4843/15). Der männliche Bewerber legte Berufung gegen das Urteil ein, scheiterte nun aber auch vor dem LAG Köln.
Die Richter argumentierten, dass das Unternehmen mit der Bevorzugung des weiblichen Geschlechts in der Stellenausschreibung den unternehmerischen Zweck verfolge, seiner Kundschaft beim Autokauf Beratungsleistungen durch Verkaufspersonal beiderlei Geschlechts anzubieten. Es erhoffe sich, dadurch den Bedürfnissen seiner Kundschaft besser gerecht werden zu können und infolgedessen auch bessere Verkaufsergebnisse zu erzielen. Zudem unterstellen die Richter, dass vom Empfängerhorizont eines Teiles der Kundschaft das Geschlecht des Verkaufsberaters für das Gelingen der Kommunikation im Verkaufsgespräch eine nicht unwichtige Rolle spiele. So könne beim weiblichen Teil der Kundschaft gerade wegen des althergebrachten Vorurteils, wonach Technik eine Männerdomäne sei, der Eindruck bestehen, von männlichen Verkäufern leicht übervorteilt zu werden. Auch sei in Rechnung zu stellen, dass für weibliche Kunden beim Autokauf möglicherweise andere Kriterien für die Kaufentscheidung im Vordergrund stünden, als dies bei männlichen Kunden der Fall sei. Daher könne eine Kundin das Gefühl entwickeln, von einer Verkäuferin in ihren Bedürfnissen besser verstanden zu werden. Ein Autokauf stelle insbesondere für private Kunden regelmäßig ein wichtiges Ereignis von erheblicher wirtschaftlicher Tragweite dar. Bei einem derartigen Vertrauensgeschäft komme der Persönlichkeit des für den Vertragspartner Handelnden eine gesteigerte Bedeutung zu. Die Eigenart der Persönlichkeit eines Menschen werde durch sein Geschlecht mitgeprägt. Dementsprechend sei nicht zu beanstanden, wenn dieses Autohaus gezielt nach Autoverkäuferinnen suche (LAG Köln, Urteil vom 18. Mai 2017 – 7 Sa 913/16).
Tipp für die Praxis: | ||
Schon an der sehr detaillierten Urteilsbegründung des LAG Köln lässt sich ersehen, dass dieser Sachverhalt einen Sonderfall darstellt. Im Grundsatz sind Stellenausschreibungen nach wie vor geschlechtsneutral auszuschreiben. Ausnahmen sind dann möglich, wenn die Art der konkreten Tätigkeit es gebietet. Die Rechtsprechung hat dies beispielsweise bei einer Lehrerin im Mädcheninternat, die zugleich Nachtdienste wahrnimmt und dabei Schlaf- und Waschräume kontrollieren muss, anerkannt (siehe dazu BAG vom 28. Mai 2009 – 8 AZR 536/08). Ferner sind Ausnahmen vom Prinzip der geschlechtsneutralen Ausschreibung zulässig, wenn bestimmte Positionen von Gesetzes wegen nur mit Frauen (oder Männern) besetzt werden dürfen. Dies hat das LAG Schleswig-Holstein ganz aktuell für die Stelle einer kommunalen Gleichstellungsbeauftragten klargestellt (Urteil vom 2. November 2017 – 2 Sa 262 d/17).
Im öffentlichen Dienst bestehen weitere Besonderheiten: Weist ein öffentlicher Arbeitgeber in einer ansonsten geschlechtsneutral gehaltenen Ausschreibung darauf hin, dass „ein besonderes Interesse an Bewerbungen von Frauen bestehe“, werden hierdurch männliche Stellenbewerber nicht im Sinne des AGG unzulässig benachteiligt, wenn in der für die Stelle maßgeblichen Vergleichsgruppe Frauen unterrepräsentiert sind (LAG Düsseldorf vom 12. November 2008 – 12 Sa 1102/08). Weitere Schulfälle, bei denen das Geschlecht als unverzichtbare Voraussetzung für eine bestimmte Tätigkeit gelten dürfte, sind Model, Schauspieler oder Sicherheitsfachkraft zur Durchsuchung gleichgeschlechtlicher Passagiere auf Flughäfen. Inwieweit ein Autoverkäufer sich hier ohne Weiteres einreihen lässt, erscheint jedoch fraglich. Es drängt sich vor allem die Frage auf, wo in vergleichbaren Fällen die Grenze zu ziehen ist: Wird „frau“ von einer Rechtsanwältin besser verstanden als von einem Rechtsanwalt, weil die Anwältin sich besser in die weibliche Psyche einfinden kann? Und was ist mit Ärzten? Auch im Elektronikfachmarkt könnten sich Frauen, die technisch wenig versiert sind, von einem männlichen Fachverkäufer übervorteilt fühlen. Das Urteil schafft insoweit also einerseits eher Verwirrung als Rechtsklarheit. Andererseits wird in Zeiten der Frauenquote gerade in typischen Männerdomänen der Weg zu mehr „Frauen an der Macht“ nur gangbar sein, wenn hinreichend Frauen an der Basis vorhanden sind, die Führungspositionen besetzen und in Gremien gewählt werden können. Und vielleicht ist die gezielte Suche nach weiblichen Kräften der beste – oder sogar einzig funktionierende – Weg, dies zu gewährleisten. Zudem sind auch umgekehrt Fälle denkbar, bei denen überlegt werden sollte, gezielt Männer per Stellenausschreibung zu suchen, beispielsweise im Erzieherberuf oder im Grundschullehramt. Nichtzulassungsbeschwerde wurde eingelegt. |
Quelle: https://www.cms-hs.net/