Was schon lange zu vermuten war und auch in der Instanzrechtsprechung so beantwortet wurde, hat nun auch das BAG klargestellt: Die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ in einer Stellenausschreibung indiziert eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft.
Die Bundesrichter hatten den Fall eines Studenten zu entscheiden, der in der Ukraine geboren worden war und russischer Muttersprachler ist. Dieser hatte sich auf eine befristete Aushilfstätigkeit während der Semesterferien bei einem juristischen Fachmagazin beworben. In der Stellenanzeige hieß es unter „Anforderungen“ u. a. „Deutsch als Muttersprache“. Als der junge Mann nicht eingestellt wurde und auch keine Absage erhielt, bat er den Arbeitgeber – knapp vier Monate nach dem Auslaufen der befristet ausgeschriebenen Stelle – um eine Rückantwort. Dieser teilte ihm daraufhin einen weiteren Monat später mit, dass die Vakanz anderweitig besetzt worden war. Der Student machte daraufhin eine Benachteiligungsentschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend.
Wie schon zuvor das Hessische Landesarbeitsgericht (Urteil vom 15. Juni 2015 – 16 Sa 1619/14 – wir berichteten im Update Arbeitsrecht von Dezember 2015) sah das BAG in der Tatsache, dass ein Stellenbewerber „Deutsch als Muttersprache“ beherrschen müsse, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft. Denn damit bringe der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er – ungeachtet der tatsächlichen Sprachkenntnisse eines Bewerbers – lediglich Interesse an der Gewinnung von Beschäftigten habe, die im deutschen Sprachraum aufgewachsen sind. Auch könne diese Formulierung nicht so ausgelegt werden, als suche er lediglich Mitarbeiter, die die deutsche Sprache – unabhängig von ihrer Muttersprache – sehr gut beherrschen. Denn dann wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, in der Ausschreibung „perfekte“ oder „sehr gute“ Deutschkenntnisse zu verlangen. Für diese Ungleichbehandlung sahen die Bundesrichter auch kein rechtmäßiges Ziel als gegeben an, das diese rechtfertigen könnte (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 8 AZR 402/15).
Tipp für die Praxis: | ||
Die Entscheidung überrascht nicht. Die Muttersprache ist in der Regel auch in einem Job unerheblich, in dem der Mitarbeiter hervorragende Sprachkenntnisse zwingend benötigt, wenn der Mitarbeiter das erforderliche Sprachniveau aufweist. Jedoch beinhaltet das Urteil zwei wichtige Aspekte, auf die wir gerne hinweisen möchten:
Zum einen erklären die Bundesrichter ausdrücklich, wenn es dem Arbeitgeber um sehr gute Deutschkenntnisse gehe, sei es ihm ohne Weiteres möglich, „perfekte“ oder „sehr gute“ Deutschkenntnisse zu verlangen. Darum darf man wohl unterstellen, dass diese Formulierungen aus Sicht des BAG keine Benachteiligung wegen der Herkunft indizieren. Zum anderen hat das BAG die Forderung der Entschädigung nicht als verfallen angesehen, obwohl die ausgeschriebene Stelle befristet und diese Befristung zum Zeitpunkt der ersten Geltendmachung durch den Studenten bereits fünf Monate verstrichen war. Dies mag angesichts der gesetzlichen Vorgaben von § 15 Abs. 4 AGG überraschen. Danach muss eine Entschädigung innerhalb von zwei Monaten nach dem Zugang der Ablehnung verlangt werden. Diese Frist werde – so die Bundesrichter – allein aufgrund des Auslaufens einer Befristung nicht in Gang gesetzt. Auch mache sie eine Ablehnung des Bewerbers nicht entbehrlich. Arbeitgeber, die Stellen befristet ausschreiben, können sich daher auch nicht zwei Monate nach Auslaufen der Befristung zurücklehnen und darauf spekulieren, nunmehr vor Entschädigungsforderungen gefeit zu sein. Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass die Bundesrichter bereits Ende 2016 klargestellt haben, dass „Deutsch als Muttersprache“ keine Diskriminierung indiziere, wenn es nicht als Anforderung in einem Stellengesuch auftaucht, sondern eine von mehreren Auswahlmöglichkeiten in einer Online-Bewerbungsplattform darstellt, mit denen der Bewerber seine Sprachkenntnisse beschreiben soll (BAG, Urteil vom 15. Dezember 2016 – 8 AZR 418/15). Trotzdem wird es vorzugswürdig sein, auf „Nummer sicher“ zu gehen und auch hier von „sehr guten Deutschkenntnissen“ zu sprechen. |
Quelle: https://www.cms-hs.net