Die dunkle Jahreszeit ist Grippezeit. Um Krankheitswellen zu vermeiden, treten manche Unternehmen die Flucht nach vorne an und bieten kostenlose Grippeschutzimpfungen für ihre Mitarbeiter an. Dabei ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, über Risiken aufzuklären, und haftet auch nicht für mögliche Impfschäden – urteilten die Richter des BAG. Dies gilt selbst dann, wenn die Impfung durch freiberuflich tätige Betriebsärzte durchgeführt wird.
Die Betriebsärzte des beklagten Unternehmens hatten dazu aufgerufen, an einer Grippeschutzimpfung teilzunehmen – freiwillig und auf Kosten des Arbeitgebers. Die klagende Mitarbeiterin wurde während der Mittagspause in den Betriebsräumen geimpft. Sie behauptete anschließend, sie habe einen Impfschaden erlitten, und führte dauerhafte Bewegungseinschränkungen auf die Impfung zurück. Hierfür hafte der Arbeitgeber, da sie vor der Impfung nicht ordnungsgemäß über mögliche Risiken aufgeklärt worden sei. Die Arbeitnehmerin klagte auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens EUR 150.000 und forderte, dass der Arbeitgeber alle materiellen und immateriellen Schäden, die ihr aus der Impfung bereits entstanden seien und noch entstehen würden, ersetzen müsse. Die Klage war in allen Instanzen erfolglos.
Der Arbeitgeber hat nach Auffassung der Richter keine Pflichten verletzt – weder aus dem Arbeits- noch aus einem etwaigen Behandlungsvertrag. Die Entscheidungsgründe des BAG sind noch nicht veröffentlicht. Die Richter der Vorinstanz (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Juni 2016 – 9 Sa 11/16) argumentierten wie folgt: Grippeschutzimpfungen gehören zur allgemeinen Gesundheitsvorsorge, für die jeder Einzelne selbst verantwortlich sei. Nur in speziellen Einzelfällen (z. B. erhöhte Gefahr einer Ansteckung für den Arbeitnehmer) sei der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, seine Mitarbeiter durch Impfungen entsprechend zu schützen. Liege ein solcher Spezialfall nicht vor, treffe den Arbeitgeber keine Pflicht, über mögliche Risiken der Impfung aufzuklären – die erforderliche Sachkunde habe allein der Betriebsarzt. Nur mit diesem komme auch der Behandlungsvertrag zustande. Das BAG bestätigte diese Auffassung und stellte klar, dass der Arbeitgeber sich ein etwaiges Versäumnis der Betriebsärzte gegen die Aufklärungspflichten auch nicht zurechnen lassen müsse (BAG, Urteil vom 21. Dezember 2017 – 8 AZR 853/16).
Tipp für die Praxis: | ||
Die Entscheidung ist zu begrüßen. Unternehmen können ihren Mitarbeitern Grippeschutzimpfungen weiterhin anbieten – ohne Haftungsfalle und ohne großen Aufwand, da die Aufklärungspflichten bei den impfenden Ärzten liegen. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn Arbeitnehmer beruflich bedingt – z. B. bei Auslandseinsätzen – mit bestimmten Krankheiten in Berührung kommen können und den Arbeitgeber Impfpflichten unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes treffen. |
Quelle: https://www.cms-hs.net/