Betriebsübergang – Verzicht des Arbeitnehmers auf Widerspruchsrecht

I. Einleitung 

Im Fall eines Betriebs(teil)übergangs tritt der neue Betriebsinhaber nach § 613a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein, so dass kraft Gesetzes ein Arbeitgeberwechsel stattfindet. § 613a Absatz 6 BGB räumt den von einem Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern allerdings ein Widerspruchsrecht ein. Der einzelne Arbeitnehmer kann dem Betriebsübergang binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Unterrichtung gemäß § 613a Absatz 5 BGB schriftlich widerbesprechen. Macht der Arbeitnehmer von diesem Widerspruchsrecht form- und fristgerecht Gebrauch, geht sein Arbeitsverhältnis nicht auf den neuen Betriebsinhaber über. Um die hiermit für alten und neuen Betriebsinhaber verbundene Rechtsunsicherheit zu beseitigen, versucht man sich in die Praxis häufig, mit Widerspruchsverzichten zu behelfen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkennt diese Möglichkeit grundsätzlich an. In seiner Entscheidung vom 28.02.2019 (Az.: 8 AZR 201/18) stellt das Gericht nun allerdings klar, dass ein Verzicht angesichts der hohen Bedeutung des Widerspruchsrechts für den Arbeitnehmer eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden muss.

II. Sachverhalt 

Die Parteien streiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Mit Schreiben vom 05.08.2015 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über einen geplanten Betriebsübergang auf die C-GmbH als neuen Betriebsinhaber zum 01.09.2015. In dem Unterrichtungsschreiben wurde der Klägerin u.a. Folgendes mitgeteilt:

„Sofern Sie sich für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses entscheiden, bitten wir Sie, Ihr Einverständnis auf der beigefügten Erklärung bis zum 15.08.2015 schriftlich zu erklären. Sollte bis zu dem Zeitpunkt eine ausdrückliche Erklärung nicht vorliegen, gehen wir von Ihrem stillschweigenden Einverständnis mit dem Betriebsübergang aus. Ihnen steht es frei, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen.“

Die Klägerin unterzeichnete im September 2015 folgende dem Unterrichtungsschreiben beigefügte vorformulierte Einverständniserklärung:

Einverständniserklärung: Nachdem ich am 05.08.2015 über den Betriebsübergang unterrichtet wurde, erkläre ich hiermit mein Einverständnis für die Übertragung meines Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen ab 01.09.2015 an die Firma C-GmbH, B.

Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zunächst nicht und arbeitete ab dem 01.09.2015 für die C-GmbH als neuen Betriebsinhaber weiter. Am 07.11.2016 wurde über den neuen Betriebsinhaber das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 24.10.2016 widersprach die Klägerin dem Betriebsübergang. Vor dem Arbeitsgericht Lüneburg und dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen machte die Klägerin erfolglos den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geltend. Die Gerichte waren der Auffassung, dass die Klägerin durch die Unterzeichnung der Einverständnis-erklärung auf ihr Widerspruchsrecht wirksam verzichtet habe und dem Betriebsübergang folglich nicht widersprechen konnte. Hiergegen legte die Klägerin Revision zum BAG ein.

III. Entscheidung 

Die Revision der Klägerin zum BAG hatte Erfolg. Nach Auffassung des BAG habe die Klägerin durch Unterzeichnung der Einverständniserklärung nicht auf ihr Widerspruchsrecht als solches verzichtet. Dies folge zwar nicht bereits daraus, dass der Begriff „Verzicht“ nicht in der Einverständniserklärung vorkomme. Ein Verzicht müsse nicht ausdrücklich erklärt werden, er müsse aber anderweitig eindeutig, zweifelfrei und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Bei der von der Klägerin unterzeichneten Einverständniserklärung handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Absatz 1 BGB. Die Erklärung sei unter Berücksichtigung des Unterrichtungsschreibens auszulegen. Angesichts der im Unterrichtungsschreiben enthaltenen Erläuterungen zur Einverständniserklärung einerseits und zum Widerspruchsrecht andererseits, habe die Klägerin die Einverständniserklärung nur dahin verstehen können, dass hiermit allenfalls ein temporärer Verzicht auf die Ausübung ihres Widerspruchsrechts für die Zeit bis kurz vor Ablauf der Widerspruchsfrist verbunden sei. Ein endgültiger Verzicht auf das Widerspruchsrecht lasse sich der Erklärung nach Auffassung des BAG nicht entnehmen.

Das Widerspruchsrecht der Klägerin sei nach Auffassung des BAG auch weder verfristet noch verwirkt. Aufgrund fehlerhafter Angaben im Unterrichtungsschreiben sei die für den Widerspruch maßgebliche Monatsfrist nicht in Gang gesetzt worden. Die bloße widerspruchslose Weiterarbeit über einen nicht erheblichen Zeitraum bei einem neuen Inhaber stelle allein auch keinen Sachverhalt dar, durch den der Arbeitnehmer zu erkennen gebe, dass er an der Vertragsbeziehung mit dem bisherigen Betriebsinhaber nicht mehr festhalten wolle und sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben werde. Der Arbeitnehmer gebe hierdurch zwar zu erkennen, dass er den neuen Inhaber als seinen Arbeitgeber ansehe. Dies entspreche vor der Ausübung des Widerspruchsrechts aber lediglich der im Zeitpunkt der Tätigkeit bestehenden objektiven Rechtslage.

IV. Praxishinweis

Der Verzicht auf das Widerspruchsrecht stellt vor dem Hintergrund der Entscheidung des BAG weiterhin ein geeignetes Mittel dar, um Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB zu beseitigen. Der Verzicht muss allerdings zweifelsfrei und unmissverständlich zum Ausdruck kommen und muss eindeutig formuliert werden. Es empfiehlt sich daher, in der vom Arbeitnehmer zu unterzeichnenden Erklärung ausdrücklich den Begriff des „Verzichts“ zu verwenden. Zudem muss die Verzichtserklärung auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Unterrichtungsschreibens den Transparenzanforderungen genügen. 

Das BAG hat die streitige Frage offengelassen, ob ein wirksamer Verzicht auf das Widerspruchsrecht eine ordnungsgemäße Unterrichtung im Sinne von § 613 a Absatz 5 BGB voraussetzt. Das BAG zieht es unter Verweis auf eine frühere Entscheidung (Urt. v. 19.11.2015 – 8 AZR 773/14) zwar in Erwägung, dass eine zutreffende Unterrichtung über die „grundlegenden Informationen“ des Betriebsübergangs – also über den (geplanten) Zeitpunkt, den Gegenstand, den Betriebsübernehmer und das Widerspruchsrecht – möglicherweise ausreichen könne. Angesichts der nach wie vor ungeklärten Frage empfiehlt es sich allerdings weiterhin, die Arbeitnehmer stets umfassend über den Betriebsübergang zu unterrichten.

Quelle: Taylor Wessing